Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

St. Antonius-Patrozinium in Gefäll, 11. Sonntag im Jk B, 16.6.2024

Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Orientierung

Nicht nur Jugendliche und junge Erwachsene suchen Zugehörigkeit, Halt und Orientierung, sagte Domkapitular Clemens Bieber im Blick auf die aktuellen Kommentare zum Wahlverhalten Heranwachsender sowie die Erkenntnisse der aktuellen SINUS-Jugendstudie. Bei seiner Predigt zum Antonius-Patrozinium in Gefäll in der Rhön sagte der Caritasverantwortliche: „Es braucht heute sehr notwendig den Mut, aus dem Glauben heraus auch das – öffentliche – Leben mitzugestalten.“ Deshalb war sein Appell: „Es braucht das glaubwürdige Zeugnis eines Lebens, das zufrieden ist, weil es sich von Gott gehalten und getragen weiß …“

Die Predigt im Wortlaut:

„Regrounding“ – dieses Wort habe ich jetzt im Zusammenhang mit den Kommentaren zum Wahlverhalten der jungen Erwachsenen bei der Wahl des Europaparlaments gelesen. Ebenso habe ich es gelesen bei der Präsentation der auch in diesen Tagen veröffentlichten SINUS-Jugendstudie.
„Regrounding“ – meint die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, nach Halt und Orientierung. Der Ernst der Lage und die Unübersichtlichkeit der Verhältnisse in der Welt verstärken den Trend unter Jugendlichen zu „Regrounding“ – so die Kommentatoren.

Angesichts der vielen Krisen und Kriege unserer Tage sind Jugendliche besorgter und problembewusster als früher. Die Sorge um Umwelt und Klima, die Zunahme von Rassismus und Diskriminierung, eine schwer berechenbare Migrationsbewegung machen die 14 bis 17 Jahre alten Befragten unsicher. Angesichts der Krisenerfahrung wird eine Rückbesinnung wach auf stabilisierende Werte wie Freunde, Familie und Halt gebende soziale Beziehungen. Sozialforscher und Autoren sprechen deshalb von einem „Regrounding“, weil die „bürgerliche Normalbiographie“ für viele Teenager nach wie vor ein Leitbild sei: Jugendliche träumen von einer glücklichen und festen Partnerschaft in Familie und Ehe, von Kindern, Haustieren, einem eigenen Haus oder einer Wohnung, einer guten Arbeit und genügend Geld für ein sorgenfreies Leben in der Mitte der Gesellschaft.

Das verbreitete Jugendbild erzählt, so ein Kommentator, eher von den Erinnerungen eines wohlsituierten, akademischen Milieus an die eigene Jugend. Deshalb haben die Jugendlichen es satt, dass ihnen ständig gesagt wird, was sie tun und lassen sollen, was gesund und ungesund, was okay und nicht so okay sei. Der Abgleich von Theorie und Praxis in ihrem eigenen ideologiefreien Realitätssinn als Heranwachsende führe dazu, dass sie völlig anders wählen, als von den Meinungsmachern erwartet.

Dennoch halten die Jugendlichen soziale Werte hoch. Uneigennützigkeit und Toleranz seien stark ausgeprägt, ebenso die Wahrnehmung für Rassismus. „Allerdings überträgt sich die Wahrnehmungsbereitschaft für die Probleme nicht unbedingt in gesellschaftliches Engagement“, so die Studienautoren. Die Erfahrung von Ohnmacht, letztlich doch nichts bewirken zu können, sei zentral. Deshalb komme ich nochmals auf das „Regrounding“ zu sprechen – die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Orientierung.

Der Jakobsbrief aus dem ersten Jahrhundert spricht, wie wir in der Lesung gehört haben, von der Wirksamkeit des Glaubens. „Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen - was nützt das?“
Weiter heißt es: „Du siehst, dass bei ihm der Glaube und die Werke zusammenwirkten und dass erst durch die Werke der Glaube vollendet wurde … Denn wie der Körper ohne den Geist tot ist, so ist auch der Glaube tot ohne Werke.“
Es geht um Glaubwürdigkeit! Darauf kommt es jetzt in der Epoche großer Umbrüche in unserer Gesellschaft, in Europa, in der Welt an!

Glaubwürdigkeit – genau das war es, was die zahlenmäßig eigentlich unbedeutende, kleine gesellschaftliche Minderheit, die sich Christen nannten, ausgezeichnet hat. Profane historische Dokumente bezeugen, dass die Christen den allgemeinen Lebensstil hinterfragten und nicht einfach dachten und machten, was „man halt“ so dachte und machte.

In einem Brief aus dieser Zeit von einem unbekannten Verfasser, der an Diognet gerichtet war, wird ein faszinierendes Bild der Christen gezeichnet:

  • „Sie führen ein absonderliches Leben ... legen dabei aber einen wunderbaren Wandel an den Tag ...“
  • Sie heiraten wie alle anderen und zeugen Kinder, setzen aber die geborenen nicht aus.
  • Sie tun Gutes und werden wie Übeltäter bestraft.

Wenn es das von uns heute heißt, dass wir die Kinder nicht aussetzen, die Alten nicht abschieben, oder sie – wie es in heidnischer Vorzeit war – töten, ebenso wenig wie Behinderte, dass wir also den Mut haben, gegen den Strom zu schwimmen, dann können wir Entscheidendes in der Welt verändern.

Weil die Christen aus ihrem Glauben, aus der tiefen Verbindung zu Jesus heraus lebten und handelten, haben sie gegen alle Widerstände der Welt ein menschliches Gesicht gegeben und haben z.B. die soziale Kultur des sogenannten Abendlandes geprägt.

Was also Christen – entgegen dem Trend der Zeit, entgegen dem, was „man halt“ tut – zu leisten bereit waren, können wir in einer alten Urkunde, in der Beschreibung für den sozialen Dienst, aus dem 5. Jahrhundert nachlesen. In einem Ordnung für Diakone heißt es:
„Er geht in den Häusern der Armen aus und ein, um festzustellen, ob es jemand gibt, der in Angst, Krankheit oder Not geraten ist. ... Die Gelähmten und die Kranken wird er baden, damit sie in ihrer Krankheit aufatmen können. ... Er macht der Gemeinde die Namen derer bekannt, die der Hilfe bedürfen ... und lässt allen über die Gemeinde zukommen, was Not tut.“

Die Christen haben – wie in den ersten Jahrhunderten, so wie immer, wenn sie in der Minderheit waren, ja sogar, wenn sie verfolgt wurden – deutlich gemacht, dass Gott wirkt und handelt.
Das Evangelium, das wir heute gehört haben, ist eine solche Ermutigung. Der Evangelist Markus erinnert seine Gemeinde mit dem Gleichnis Jesu daran, damit sie nicht verzagen und verzweifeln, weil sie dem Druck der Masse ausgesetzt sind.

Samen für das Reich Gottes ist also alles, was wir mit guten, ermutigenden Worten und an hilfreichem, heilsamen Tun unternehmen, um die Menschenfreundlichkeit unseres Gottes zu bezeugen. Aus dem zweiten Jahrhundert ist ein Satz überliefert, der sinngemäß heißt: Leb ein gutes Leben unter den Heiden, damit sie, während sie euch gering achten, euch als gute Menschen wahrnehmen.
Und auch wenn unsere Möglichkeiten oft gering erscheinen, dennoch hat die in Gott verwurzelte Liebe eine e–norme Sprengkraft, eine über das Normale hinausgehende Auswirkung.

„Regrounding“ – die Menschen – und gewiss nicht nur Heranwachsende – suchen Zugehörigkeit, Halt und Orientierung. Genau das ist unsere Sendung, unser Auftrag! Die Predigt des hl. Antonius von Padua, nach dem Ihre Gemeinde hier in Gefäll benannt ist, war nicht nur gelehrte, kluge Worte. Seine Predigt war glaubwürdig durch seinen Einsatz für die Menschen, insbesondere gegen Ungerechtigkeit und für die Armen.

Es braucht heute sehr notwendig den Mut, aus dem Glauben heraus auch das – öffentliche – Leben mitzugestalten. Wenn wir in unseren Tagen erleben,

  • wie sich in unserem Land in jeder Hinsicht eine bedenkliche Gleich-gültig-keit entwickelt,
  • wie sich ein menschenverachtender Konsumismus ausbreitet,
  • dass sich mehr und mehr eine gefährliche soziale Schieflage abzeichnet,
  • wie sich immer bedrückendere Gefühle der Einsamkeit wie auch der Ohnmacht verfestigen.
  • Wenn wir erleben, wie mehr und mehr ethische Dämme brechen,
  • wie sich Gewalt – gegen Sachen und Personen – immer mehr ausbreitet,

dann können wir Christen nicht schweigen, dann müssen wir Zeichen für das Leben setzen.
Den Mut dazu macht uns Jesus – heute z.B. mit seinem Gleichnis vom Senfkorn.

„Regrounding“ – wir selbst orientieren uns an Jesus, fühlen und von Gott gehalten. Davon sollten unser eigenes Leben und Wirken geprägt sein. So können wir all den Menschen – insbesondere den Jugendlichen Zeugnis geben durch unseren beherzten Einsatz für sie.

Bei unserem vielfältigen Engagement für das Leben, für das Reich Gottes können wir vertrauen, dass es sich letztlich durchsetzen wird, so wie das Senfkorn ein riesiger Baum wird, in dessen Schatten man Geborgenheit findet.

„Regrounding“ – um den Menschen – insbesondere den Heranwachsenden den ersehnten Rückhalt und die erhoffte Orientierung für ihr Leben zu geben, braucht es mehr als nur die Ansage, was sie dürfen und was nicht. Es braucht das glaubwürdige Zeugnis eines Lebens, das zufrieden ist, weil es sich von Gott gehalten und getragen weiß – im besten Sinne des Wortes einen festen Boden hat - eben „Regrounding“.

Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de

Text zur Besinnung

Betend
also gewohnt
in den Wüsten zu wohnen
Durststrecken zu durchstehen
von jeher
halten wir stand
wir haben den längeren Atem
wir haben die größere Hoffnung

Betend
also mit anderen Augen
sehen wir manchmal ein Zeichen
auf den Zusammenhang weisend
sehen vor Tage
ein wenig schon
wie ein Licht
das verheißene Land

Betend
also denkend das Undenkbare
folgen wir der Spur
halten Schritt mühsam
mit dem der vorangeht
durch Wasser und Wüste
der möglich macht das Unmögliche
der Leben wirkt
aus dem Tod

(Autor unbekannt)