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Grünewalds bildliche Theologie

Aschaffenburg (POW) Als Appell, das Beste zu hoffen und das Beste zu tun, hat Bischof Dr. Paul-Werner Scheele am Samstagabend, 18. Januar, das biblische Magnifikat, den Lobgesang Mariens, bei einem ökumenischen Gottesdienst in der Stiftskirche gedeutet. Die Feier fand zum Auftakt der Gebetswoche für die Einheit der Christen statt und war zugleich Abschluss eines Studientags, der sich mit Matthias Grünewald als Künstler im Zeitalter der Reformation beschäftigte. An dem gemeinsamen Gebet im voll besetzten Gotteshaus nahmen Vertreter der griechisch-orthodoxen, der rumänisch-orthodoxen, der syrisch-orthodoxen Kirche, der altkatholischen Gemeinde, des Christlichen Zentrums Untermain, der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde, der freien evangelischen Gemeinde, der Siebenten-Tags-Adventisten und evangelisch-lutherischen Kirche Teil. „Damit setzen wir einen Meilenstein auf dem Weg zur Einheit und geben selbst ein sprechendes Zeugnis für unseren Willen zur neuen Einheit“, unterstrich Stiftspfarrer Dr. Jürgen Vorndran im Gottesdienst.
 
Mit seinem für die Maria-Schnee-Kapelle 1519 geschaffenen Muttergottes-Gemälde gebe Matthias Grünewald ein wichtiges Zeugnis der Heilswahrheit, betonte Bischof Scheele. Das Gemälde kam auf unbekannten Wegen in das Dorf Stuppach, von wo aus es als „Stuppacher Madonna“ berühmt wurde. Grünwalds Darstellung kann nach den Worten des Bischofs verdeutlichen, weshalb Martin Luther 1520 in seiner Bibel-Auslegung das Magnifikat ein „geistliches, reines, heilsames Lied“ nannte. Luther betonte: „Sie hat es nicht für sich allein, sondern für uns alle gesungen, damit wir es nachsingen sollen“. Weil er diese Einsicht auch für politisch wichtig erachtete, habe der Reformator seine Schrift dem Herzog von Sachsen und dem Landgrafen von Thüringen gewidmet.
 
Grünewalds Bild stelle vor allem heraus, dass Gott in seiner Schöpfung und mit seinem Erlösungswerk den Menschen Anteil an seiner Liebe geben wolle. Aus Ehrfurcht sei der Allmächtige mit wenigen roten Strichen mehr angedeutet als dargestellt. „Gerade die größten Künstler wussten ja am besten wie begrenzt alle menschlichen Möglichkeiten sind.“ Das gesamte Bild stelle durch alle Geschöpfe die Herrlichkeit der Schöpfung dar, wobei Grünewald jedem einzelnen Element auch symbolische Bedeutung beimesse. So sei der verblassende Regenbogen im Bildhintergrund, von einem kräftigen Querstrich durchkreuzt, den immer wieder vom Menschen gebrochenen alten Bund dar. Ein kräftiger Bundesbogen wölbt sich über Maria und ihrem Sohn als „Sinnbild des neuen, ewigen Bundes.“
 
Das Jesuskind sei der Gipfel des Heilsgeschehens. „Diese Gabe aller Gaben ist die lebendige Mitte des Bildes wie sie auch die Herzmitte der Welt ist.“ In der Nacktheit des Kindes mache Grünewald die Entäußerung Gottes in der Fleischwerdung deutlich. So wie die Mutter des Herren auf dem Bild seien alle Menschen eingeladen, das Erbarmen Gottes zu preisen. „Wie kein Mensch sonst ist sie mit ihrem Sohn und durch ihn mit uns allen verbunden. Sie selbst weiß am besten, dass sie dies nicht ihren eigenen Fähigkeiten verdankt.“ Nicht zuletzt deswegen sei das Bild wie das Magnifikat selbst für alle Christen Anregung, über die Grenzen hinaus zu blicken, die jeder während der Erdenzeit erfahre, unterstrich der Bischof von Würzburg.
 
Beim Studientag, den Weihbischof Helmut Bauer und Aschaffenburgs Oberbürgermeister Klaus Herzog eröffneten, stand vor allem das historische Umfeld des Künstlers Grünewald im Mittelpunkt. Professor Dr. Arnold Angenendt (Münster) zeigte die Reliqiuenverehrung der damaligen Zeit, die Kritikpunkte der Reformation an der gängigen Praxis und die Bedeutung für die Christen der Gegenwart auf. Den Ablass heute und zur Reformationszeit untersuchten Stiftspfarrer Dr. Jürgen Vorndran und der evangelisch-lutherische Dekan Michael Martin. Vorndran charakterisierte den Erzbischof und Kurfürsten Albrecht von Brandenburg als schillernden Renaissanceherrscher, der Sympathie für Luthers Ideen hegte. Dennoch habe dies ihn nicht davon abgehalten, Ablasshandel zu betreiben, um Geld für seine Ernennung zum Erzbischof von Mainz einzutreiben. Michael Martin stellte die Unterschiede im Verständnis des Ablasses in der katholischen und evangelischen Theologie dar.
 
Frappierende Übereinstimmungen zwischen Luthers Kreuzestheologie und Grünewalds Kreuzigungsbild des Isenheimer Altars legte Professor Dr. Arnold Angenendt offen. „Was anders sehen wir auf der Isenheimer Tafel als Schmach, Not und Tod!“ Wenn Grünewalds Kruezesbild die neuzeitliche Christologie in gewisser Weise vorausahne, zeigt es nach Angenendts Worten auch ein Stück weit die „metaphysische Dunkelheit“, der die Neuzeit ausgesetzt ist.
 
(04030103; Telefax voraus)