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Gedanken zum Evangelium - 11. Sonntag im Jahreskreis

Ein junges Pflänzchen

Viele Kapuziner gibt es nicht mehr. Die wenigen wollen ihren Glauben dort leben, wo sonst kaum jemand christlich ist – zum Beispiel in Brandenburg und den Niederlanden. Was sie inspiriert, ist das Gleichnis vom Senfkorn.

Evangelium

In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da.

Er sagte: Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen, mit welchem Gleichnis sollen wir es beschreiben? Es gleicht einem Senfkorn. Dieses ist das kleinste von allen Samenkörnern, die man in die Erde sät. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse und treibt große Zweige, so dass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können.

Durch viele solche Gleichnisse verkündete er ihnen das Wort, so wie sie es aufnehmen konnten. Er redete nur in Gleichnissen zu ihnen; seinen Jüngern aber erklärte er alles, wenn er mit ihnen allein war.

Markusevangelium 4,26–34

Das Bild vom Senfkorn gefällt Bernd Beermann: ein winziges Korn, das die Kraft hat, zu etwas Großem heranzuwachsen. „Das Bild passt zu uns“, sagt er. Beermann ist Kapuziner und lebt seit September 2023 im brandenburgischen Eberswalde. Gemeinsam mit seinem Mitbruder Samson Antony Chettiparambil arbeitet er in der Gemeinde St. Peter und Paul. „Wir sind wie so ein kleines Senfkorn, das hier langsam in die Gemeinde wächst – in der Hoffnung, dass daraus noch ein ordentlicher Strauch wird“, sagt Bruder Bernd.

Von der Kraft des Senfkorns erzählt Jesus im Evangelium an diesem Sonntag. Er versucht den Menschen durch das Gleichnis zu erklären, wie das Reich Gottes sein wird. Bruder Bernd und Bruder Samson wollen es in die Welt von heute übertragen: In einer Region, in der nur zwei Prozent der Menschen katholisch sind und über 80 Prozent gar keiner Religion angehören, wollen die Ordensbrüder mit ihrem christlichen Glauben für die Menschen da sein, mit ihnen leben, beten und Gottesdienst feiern.

Meist beschäftigen sich die Kapuziner, so wie fast alle Ordensgemeinschaften in Deutschland, eher mit Schließungen von Klöstern. Die Zeichen stehen auf Abbruch. Doch die Kapuziner wollen auch neue Akzente setzen  – mit internationalen Gemeinschaften überall in Europa. Eine entsteht gerade in Eberswalde.

„Vor ungefähr eineinhalb Jahren wurden die Überlegungen konkreter: Wie könnte so ein Neuaufbruch aussehen?“, sagt Bruder Bernd. Es entstand die Idee einer kleinen Gemeinschaft im Osten Deutschlands mit sozial-ökologischem Schwerpunkt. Bruder Samson arbeitet außerdem als Pfarrvikar in der Pfarrei Heiliger Christophorus Barnim, zu der die Gemeinde in Eberswalde gehört. Die Pfarrei umfasst ein Gebiet vom nördlichen Berlin bis in die Uckermark, größer als das Stadtgebiet Berlins.

Gelände soll Lebensraum für Tiere und Menschen werden

Bruder Bernd kümmert sich als Biologe und Chemiker vor allem um das Öko-Projekt „Schöpfungsverantwortung in der Gemeinde“. Dazu hat sich ein Arbeitskreis gegründet. Das Projekt selbst wirkt wie ein Senfkorn. „Viele Gemeindemitglieder haben sich bislang nicht in dieser Tiefe mit Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Aber kürzlich hatten wir ein Treffen zu der Frage, was wir unter diesem Begriff verstehen. Da kamen schon viele gute Rückmeldungen“, sagt Bruder Bernd.

Dabei haben sie etwa überlegt, wie sie Gemeindefeste so feiern können, dass negative Auswirkungen auf die Umwelt gering bleiben. Oder wie sie das Gelände rund um die Kirchen der Pfarrei gestalten könnten. „Da gibt es noch Potenzial, Lebensraum zu schaffen für Insekten, Tiere und Pflanzen – und auch für die Menschen. Denn eine brachliegende Wiese ist ja auch für uns nicht so attraktiv“, sagt Bruder Bernd.

Im Zentrum steht aber der Neubau des Pfarrzentrums in Eberswalde. Das alte Gebäude kann nicht saniert werden, da die Fundamente nicht mehr tragen. „Es bricht schlichtweg langsam auseinander“, sagt Bruder Bernd. „Sonst wäre, gerade unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit, eine Sanierung immer einem Neubau vorzuziehen.“

Die Mitglieder des Arbeitskreises fragen sich, wie der Neubau ökologisch und nachhaltig gelingen kann. Sie diskutieren über Baumaterial, Isolierung und Klimatisierung, aber auch über die Wünsche an das neue Haus. „Als Gemeinde müssen wir einen Konsens finden: Was wollen wir? Und was ist notwendig, auch im Hinblick auf die Zukunft?“, sagt Bruder Bernd.

Wenn der Bau steht, werden die beiden Kapuziner ins Pfarrzentrum ziehen. Sie hoffen, dass dann noch ein oder zwei Brüder dazukommen. „Ich wünsche mir, dass sich der Standort in Eberswalde für uns Kapuziner etabliert. Und ich hoffe, dass sich so in der Gemeinde auch einiges tut und dass die Begeisterung für die Veränderungen wachsen kann“, sagt Bruder Bernd.

Einen ähnlichen Aufbruch wagt sein Mitbruder Christophorus Goedereis. Er lebt in den Niederlanden und organisiert einen Neustart des Ordens im alten Kloster von Velp. Hier soll eine internationale Gemeinschaft mit sechs Kapuzinern entstehen.

„Das offizielle kirchliche Leben in den Niederlanden geht heute gen Null“, sagt Bruder Christophorus. Ein Grund dafür ist die Enttäuschung vieler niederländischer Katholiken nach dem Pastoralkonzil Ende der 1960er Jahre, das die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils umsetzen sollte. Radikale Neuerungen wurden dort verabschiedet – und vom Heiligen Stuhl „für nichtig erklärt“, sagt Bruder Christophorus. Daraufhin verließen viele die Kirche.

Bruder Christophorus will moderne Sinnsucher erreichen

„Laut soziologischen Studien gibt es hier aber mehr Sinnsucherinnen und Sinnsucher als in anderen europäischen Ländern“, sagt er. Die Menschen suchten neue Formen von Gemeinschaftsleben und Spiritualität. Außerdem hätten die Niederländer das Pilgern wieder neu entdeckt. Das spüren die Kapuziner, weil zwei Wege direkt am Emmausklooster in Velp entlangführen. „Fast jede Nacht übernachten bei uns ein paar dieser modernen Sinnsucher. Die meisten sind nicht kirchlich oder explizit christlich unterwegs, aber eben doch offen für spirituelle Fragen“, sagt der Bruder. Für sie möchte er Angebote entwickeln.

„Wir wollen ein intensives Gemeinschafts- und Gebetsleben führen und Gastfreundschaft wird eine wichtige Rolle für uns spielen“, sagt er und hofft, dass diese ersten Schritte des Neuanfangs belohnt werden, dass aus dem Saatkorn, das er setzt, etwas wachsen kann. Bruder Christophorus sagt: „Wir möchten, dass das Kloster in Velp wieder zu einem Ort der Stille und des Gebets wird, der offen ist für Pilger, Sinnsucher und Interessierte an unserem Leben. Schließlich geht es darum, die Flamme unseres Charismas neu zu entzünden – und das in einem Land, in dem die Präsenz der Kapuziner früher einmal zu einer der stärksten im ganzen Orden gehörte, heute aber zu den zahlenmäßig schwächsten weltweit zählt.“

Kerstin Ostendorf