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Aus mit der heilen Welt auf den Dörfern

Schwarzach am Main/Würzburg (POW) „Die wachsende Vielfalt dörflicher Lebensformen“ haben mehr als 80 Pfarrgemeinderäte, Seelsorger und Vertreter kirchlicher Gruppierungen aus ganz Unterfranken bei einer Tagung am Samstag, 11. Januar, in der katholischen Landvolkshochschule „Klaus von Flüe“ in Schwarzach untersucht. Aus Diskussionsrunden heraus formulierten die Teilnehmer Ansprüche an kirchliche und politische Gemeinde. Von der Kirche wurde vor allem Offenheit und Aufgeschlossenheit gefordert: Die Teilnehmer wünschen sich Vertrauen und Kompetenzen, die ihnen Entscheidungen vor Ort ermöglichen. Wichtig sind dabei gut ausgebildetes Personal und kontinuierliche Ansprechpartner. Ausrichter der Veranstaltung war die Katholische Arbeitsgemeinschaft Land (KAL). Sie erforscht im Rahmen des diözesanweiten Projektes „Land in Sicht“ ländliche Strukturen in Kirche und Gemeinde. Unterstützt wird sie von der Akademie der Katholischen Landjugend und dem Institut Pro Provincia.
 
Zu einer Perspektive für Landpastoral äußerte sich Dr. Birgit Hoyer, Bundesseelsorgerin der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands (KLJB) in einem Fachvortrag. Lebensentwürfe und Lebensstile im Dorf referierte Albert Herrenknecht vom Institut „Pro Provincia“ aus Boxberg. Projektleiter Wolfgang Scharl präsentierte zum Abschluss der Tagung Einzelheiten von „Land in Sicht“. Er warb um rege Beteiligung an der Dorfanalyse, die im Mai einen Ort im Bistum Würzburg genauer unter die Lupe nehmen wird. Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand als Schirmherr des Projektes wies darauf hin, dass der Dienst am Menschen neu in Angriff genommen werden müsse. Er wisse, dass entgegen weit verbreiteter Ansicht auch auf den Dörfern Handlungsbedarf in der Pastoral bestehe.
 
Nach den Worten der Bundesseelsorgerin Hoyer behandeln die gegenwärtigen Pastoralpläne der Diözesen das Thema Landpastoral vor allem unter strukturellen Gesichtspunkten. Dem stünde ein wachsendes Engagement ehrenamtlicher Mitarbeiter gegenüber, das sich steigere, je weiter die Hauptpfarrei entfernt sei. „Eine Bindung an den Pfarrer ist oft gar nicht mehr möglich.“ Ihrer Meinung nach ist es wichtig, die „Zeichen der Zeit“ zu sehen und mit scharfem Blick regionale Eigenheiten aufzugreifen, Leitziele für eine ländlich-pastorale Entwicklung zu formulieren und diese in Projekte zu überführen.
 
Qualifizierte Mitarbeiter, die das nötige Vertrauen der Kirche genießen, sind nach Meinung Hoyers unerlässlich für die pastorale Entwicklung am Land. Die Theologin forderte die Kirchenverantwortlichen auf, Entscheidungsebenen zu dezentralisieren, um Kooperationen zu ermöglichen. „Pastorale Mitarbeiter im ländlichen Raum sind keine Einzelkämpfer, sondern fähig, in Netzwerken über die Grenzen der jeweiligen Pfarrei hinweg zu kooperieren“, betonte Hoyer. „Ziel ihres Tuns ist es, die Pfarrei zu einem Baustein für eine nachhaltige Entwicklung zu machen und ein Klima für Impulse und Innovationen entstehen zu lassen.“
 
Albert Herrenknecht von „Pro Provincia“ hob in seinem Vortrag hervor, dass die dörfliche Identität nicht mehr existiere. Sie sei mindestens vier Identitäten gewichen: Die Altdörfler bildeten eine Gruppe, in der sich hauptsächlich Alteingesessene und Einheimische wiederfänden. Die Wohnstandort- und Wohnstandard-Dörfler seien wegen der günstigeren Preise und aus Gründen des Lebensstils aufs Land gezogen. Zu den Emanzipierten Dörflern zählte Herrenknecht beispielsweise die Anhänger der oft als „alternativ“ bezeichneten Dorfbewohner. Unter der Gruppe der Dorf-Randgruppen fasste der Dorfanalytiker die Isolierten, sozialen Außenseiter und Problemgruppen zusammen. Nach seinen Worten gibt es zwischen den Zugehörigen dieser vier so genannten „Kulturkreise im Dorf“ Konflikt- und Gemeinsamkeitszonen, die jeweils andere Ansprüche an die Kirchen- und die Dorfgemeinde hätten.
 
Mit dem Projekt „Land in Sicht“, wollen die an der KAL beteiligten Verbände und Einrichtungen Schlüsse zur Zukunft der Landpastoral ziehen. In der KAL vertreten sind neben KLJB und Katholischer Landvolkbewegung (KLB) die Landwirtschaftliche Familienberatung, die Landfrauenvereinigung im Katholischen Frauenbund, die Katholischen Landvolkshochschulen Volkersberg und „Klaus von Flüe“ in Münsterschwarzach und das Umweltreferat der Diözese Würzburg. Weil sich das Bistum Aufschlüsse von „Land in Sicht“ verspricht, wird es einen Großteil der Kosten übernehmen. Weitere Zuschüsse geben der Bund, die Universität Würzburg, die das Projekt wissenschaftlich begleitet, und das zu analysierende Dorf. Hauptsächlich Fragen zur Lebenswelt seien es, die Scharl und seine Projektmitarbeiter an die ländliche Bevölkerung stellen. Besonderer Augenmerk liegt nach seinen Worten auf Religiosität und Gemeindeorganisation. Der Lehrstuhl für Pastoraltheologie von Professor Dr. Erich Garhammer in Würzburg wird auf eine ganz andere Art von den Ergebnissen profitieren. Er möchte herausfinden, was künftige Seelsorger auf den Dörfern brauchen und worauf bei deren Ausbildung geachtet werden muss.
 
Noch besteht die Möglichkeit, sich als Beispiel-Dorf zu bewerben, in dem vom 19. bis 24. Mai 2003 eine Dorf-Analyse durchgeführt wird. Sowohl politische als auch kirchliche Gemeinde sollten sich beteiligen. Kriterien sind eine Einwohnerzahl zwischen 500 und 1000, eine finanzielle Beteiligung von 1000 Euro sowie die Bereitschaft, die Gemeinde vorzustellen und analysieren zu lassen. Die Forschungsgruppe von „Land in Sicht“ besteht aus Studenten, ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern der Diözese sowie künftigen Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Sie benötigt organisatorische Unterstützung vor Ort. Im Anschluss an die Dorf-Analyse samt Auswertung werden fortführende Erhebungen in der Diözese durchgeführt. Schlusspunkt von „Land in Sicht“ ist die pastoraltheologische Auswertung mit Blick auf die künftige Landpastoral im Bistum.
 
Dörfer und Gemeinden, die im Rahmen des Projektes analysiert werden möchten, können sich melden bei der Katholischen Arbeitsgemeinschaft Land, Kilianeum – Haus der Jugend, Ottostraße 1, 97070 Würzburg, Telefon 0931/38663721, Fax 0931/38663729. Die Ergebnisse der Dorfanalyse werden dem Dorf zur Verfügung gestellt.
 
(0303/0049; Telefax voraus)